Archive für 30/11/1999

(Foto: Zarin La Putina bei ihrer Investitur 2014). Vor knapp zwei Wochen outete sich der Blogger Zaunfink als Agent der virulenten Homo-Lobby, der Weltverschwörung, die drauf und dran ist, der heterosexuellen Welt den Garaus zu machen. Der verräterische Zaunfink hat ausführlich über Ziele und Methoden der Homo-Lobby berichtet, wir enthüllen die geheimen Organisations-, Struktur- und Infiltrationspläne mit denen die Lobby-Gruppe seit Jahrzehnten die Gesellschaft unterwandert. Weiterlesen…

Stonewall war ein Aufstand. Am 28. Juni 1969 fand wieder einmal eine Polizeirazzia in der schwulen Kellerkneipe Stonewall Inn in der Christopher Street in New York statt. Das war damals üblich, um das „unmoralische“ Treiben der Homosexuellen zu unterbinden. Besonders die schwulen Bars standen damals im Visier der Polizei, denn es gab kaum welche. Weiterlesen…

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Alle reden von Gleichstellung und Akzeptanz, aber Deutschland fällt im internationalen Vergleich immer weiter zurück. Bauchgefühl geht vor Rechtsstaat.

Nr 5 - Stonewall Enpowerment Klein

LSBTI*-Menschen irgendwie pervers zu finden, sie als intolerante Meinungsterroristen und Totengräber der christlichen Werte abzustempeln, hat Saison. Die geistigen Ergüsse des katholischen Journalisten Matussek (»Ich bin wohl homophob; und das ist auch gut so«) oder des Ex-Arbeitsministers Blüm, die stolz ihre Abneigung gegen Schwule und Lesben in »Qualitätsmedien« artikulieren, machen die »neue Homophobie« genauso salonfähig, wie die kruden Thesen des schwäbischen Lehrers Gabriel Stängle, der mit seiner Petition gegen den Bildungsplan in Baden- Württemberg 200.000 Unterschriften sammelte und die grün-rote Landesregierung in die Knie zwang: Der Bildungsplan wurde auf 2016 – nach der nächsten Wahl – verschoben. In München, Kassel, Frankreich, ja der ganzen Welt demonstrieren hunderttausende Homogegner im Namen der Moral, der natürlichen – gottgegebenen – Ordnung und zum Schutz der Kinder vor Homo-Propaganda.

Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, spricht sogar von »besorgniserregenden Anzeichen« einer »neuen Homophobie«, die schon in der Schule beginnt und alle Gesellschaftsschichten durchzieht. Das alltägliche Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz wird ergänzt von einem starrköpfigen Gesetzgeber. Die CDU ignoriert geflissentlich mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Lesben und Schwulen wie auch zum Transsexuellengesetz, bestärkt von Merkels unwohlem Bauchgefühl, wenn diese an Adoptionen durch lesbische oder schwule Paare denkt. Die FDP hatte diesen Kurs, trotz behaupteter Homofreundlichkeit, immer mitgetragen, genauso wie die SPD sich entgegen ihrer vollmundigen Wahlversprechen nun der Unionspolitik unterordnet. Ein Trauerspiel.

Diskriminierung ist in der EU präsenter als gedacht

Laut einer aktuellen Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) ist die Situation in ganz Europa »sehr besorgniserregend «. Morten Kjaerum, Direktor der FRA erklärt, dass fast die Hälfte (47 %) der 93.000 befragten Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in der EU im letzten Jahr persönliche Erfahrungen mit Diskriminierung oder Belästigung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gemacht haben. Ein Viertel wurde Opfer von Angriffen oder Gewaltandrohung. Bei Transgendern liegt dieser Anteil sogar bei 35 %. Die Ergebnisse zeigen ein deutliches Nord-Süd und West-Ost-Gefälle innerhalb der EU. Während in den skandinavischen und Benelux-Ländern etwa ein Drittel der LSBT*- Menschen im letzten Jahr persönlich diskriminiert wurden, waren es in Ländern wie Litauen, Ungarn, Polen, Italien und Rumänien um die 60 %. Lesbische Frauen werden im EU-Schnitt häufiger diskriminiert (55 %) als schwule Männer (45 %).

Vor allem junge Menschen betroffen

Beunruhigend ist insbesondere die Tatsache, dass vor allem die jüngste Altersgruppe von 18 bis 24 am häufigsten (57%) aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert wurde. Angriffe und Androhung von Gewalt gegenüber LSBT*-Menschen sind ebenfalls bei der jüngsten Altersgruppe am häufigsten. Entgegen früherer Vermutungen, dass Intoleranz ein Problem des Alters ist, das sich früher oder später von selbst löst, zeigen die Studienergebnisse, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Erschreckende 91 % aller Befragten gaben an, dass sie im Laufe ihrer Schulzeit bis zum Alter von 18 Jahren negative Verhaltensweisen und Bemerkungen von Mitschülern beobachtet oder gehört haben. Diese Entwicklung ist relativ einheitlich und flächendeckend in der EU zu beobachten und schwankt kaum. Die vielzitierten und problematisierten »schwule Sau«-Pöbeleien in Schulen sind also tatsächlich ein massives Problem in allen europäischen Ländern.

Die negativen Erfahrungen durchziehen alle Lebensbereiche: Schule, Uni, Ausbildungsund Arbeitsplatz, Behörden, Gesundheitseinrichtungen, Öffentlichkeit. Gewalt gegen LSBT* findet sogar am häufigsten an einem öffentlichen Platz statt; die Täter sind in der Regel mehrere Personen, männlich und dem Opfer unbekannt, was für die Polizei äußerst ungünstige Voraussetzungen sind, um sie zu ermitteln. Dazu kommt es allerdings auch deshalb nicht, weil die Diskriminierung oder Gewalt den Behörden oft überhaupt nicht gemeldet wird. Nur 10 % meldeten Diskriminierung am Arbeitsplatz, in Bildungs-, Gesundheits- oder Sozialeinrichtungen; selbst bei Gewalttaten gehen weniger als ein Viertel der Opfer zur Polizei. Der Hauptgrund für die Nicht-Meldung dieser Vorfälle ist die Überzeugung, dass eine Anzeige »nichts bewirken würde«; an zweiter Stelle stand die Angst vor homo- und transfeindlichen Reaktionen der Polizei.

Die meisten weichen aus

Vor diesen Hintergründen ist es wenig verwunderlich, dass Verstecken und Vermeiden unter LSBT*-Menschen weit verbreitet ist. Besonders junge Menschen haben mit einem offenen Umgang mit ihrer sexuellen Identität Probleme. 67 % verschleierten in der Schule die Tatsache, dass sie schwul oder lesbisch sind. Mehr als zwei Drittel aller Befragten in der EU haben Angst, Händchen zu halten, und die Hälfte gab an, bestimmte Plätze oder Orte aus Angst vor Angriffen oder Belästigung zu meiden.

Gesetzlicher Schutz endet beim (Steuer-)Geld

Sowohl deutsches als auch EU-Recht sieht zwar einen Diskriminierungsschutz gesetzlich zwingend vor, allerdings nicht in allen Bereichen. Kirchliche Arbeitgeber (etwa von Krankenhäusern, Sozial- und Bildungseinrichtungen) sind davon ausgenommen. Hier gelten besondere Bestimmungen, es gibt kaum Tarifverträge, Betriebsräte und geringen Kündigungsschutz. LSBTI* Angestellte sind genauso betroffen wie Wiederverheiratete, die wegen »Ehebruchs« jederzeit auf die Straße gesetzt werden können. Betroffen sind etwa 1,3 Millionen Arbeitnehmende, Tendenz steigend, denn die niedrigen ungeregelten Löhne schaffen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber nicht kirchlichen Trägern. Dabei werden die Träger zu 90 % vom Staat aus Steuermitteln finanziert, der die günstigeren Träger gut und gern in Anspruch und die damit verbundene Diskriminierung bewusst in Kauf nimmt.

Relativ vage allgemeine Bestimmungen in der EU-Grundrechtscharta oder den Verfassungen einzelner Bundesländer, die Benachteiligungen aufgrund der sexuellen Identität verbieten, lassen sich außerdem kaum durchsetzen, weil konkrete Ausführungsgesetze fehlen. Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz etwa gilt nur für Privatunternehmen, nicht aber für den öffentlichen Bereich und die Verwaltung. Der Staat hat sich hier also selbst eine Ausnahme genehmigt, während er den Unternehmen wie auch den Bürgerinnen und Bürgern im Land Akzeptanz gesetzlich aufzwingt. Aus den Bundestagsunterlagen ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber diese Lücke damals bewusst gelassen hatte, um etwa zu verhindern, dass homosexuelle Beamte und Staatsangestellte die selben Zulagen- und Hinterbliebenenansprüche stellen können wie heterosexuelle Staatsbedienstete. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Lücke mittlerweile zwar für grundgesetzwidrig erklärt, doch selbst das Land Berlin, das sich gerne als besonders fortschrittlich und tolerant gibt, versucht bei der Umsetzung des Urteils aus Karlsruhe bewusst zu tricksen: Statt der rückwirkenden Gleichstellung ab 2001 sollen Berliner Landesangestellte nur Ansprüche ab 2009 bekommen – und auch nur, wenn sie diese schon vorher angemeldet hatten. Beim Geld ist eben Schluss mit der Akzeptanz, obwohl es um vergleichsweise geringe Summen geht.


Teil 1    Teil 2

Dieser Artikel ist Teil 1 des Leitthemas des gerade erschienenen CSD Magazins 2014. Das komplette Magzain ist online unter http://issuu.com/csdmagazin/docs/csd_magazin_2014_online abrufbar.

Der Rollback ist also angekommen. Wer ist schuld und was tun?

Megaphon3 

Bewusstsein schaffen und aufklären

Kein Wunder, dass sich LSBTI* unter den beschriebenen Voraussetzungen häufig diskriminiert, abgewertet und unwohl fühlen. Die Bundesantidiskriminierungsstelle und die europäische Grundrechteagentur fordern umfassende Aktionspläne zur Beseitigung gesellschaftlicher Diskriminierung und Aufklärung von Vorurteilen genauso wie Bildungspläne, die vor allem jungen LSBTI*-Menschen helfen sollen, was angesichts der Umstände dringend geboten ist. Es geht dabei um mehr als um Beamtenzuschläge und Steuerbegünstigungen für gutsituierte schwule Männer. Die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber LSBTI* hat zwar Umfragen zufolge im letzten Jahrzehnt deutlich zugenommen, aber sie ist brüchig. Im letzten Jahr konnte eine deutliche Zunahme von Antisemitismus und Nationalismus festgestellt werden, Zahlen zur Homophobie liegen nicht vor.

Wohlfeile Heuchelei der Parteien

Die deutsche Politik agiert dabei besonders verlogen. Die Union behauptet frech, dass LSBTI* in Deutschland gar nicht diskriminiert werden, und lehnt die Gleichstellung sowohl in ihrem Parteiprogramm als auch bei Abstimmungen im Bundestag konsequent ab. Gegenüber den Koalitionspartnern – vormals FDP und nun SPD – wird die Koalitionskarte gezogen, um sie auf Linie zu bringen. Zumindest gibt die Union nicht vor, besonders LSBTI*-freundlich zu sein, und diese »Ehrlichkeit« kommt bei den Wählenden an. Merkels unwohle Bauchgefühle gegenüber LSBTI* und der offene Verfassungsbruch in dieser Frage führten nicht dazu, dass sich die Deutschen von der Union abwandten. Im Gegenteil, sie treffen den Nerv der Nation und gewinnen Wählerstimmen.

Die FDP beteuerte zwar immer wieder Unterstützung von LSBTI*, stimmte aber konsequent dagegen. Dieses Nachgeben aus angeblicher Koalitionsräson wurde vom Wähler bestraft, und die FDP flog aus dem Bundestag.

Die SPD versprach vor der Wahl vollmundig 100 % Gleichstellung und opferte dieses Versprechen ebenfalls zu 100 %, um mit der Union regieren zu können. Kein Wort mehr von Öffnung der Ehe oder voller Adoption. Die Opfer des § 175 StGB sollen zwar rehabilitiert werden – wird zumindest versprochen –, doch je länger die Politik wartet, desto weniger der knapp 55.000 Männer, die zwischen 1945 und 1969 verurteilt wurden, werden das erleben. In der Diskussion ist außerdem eine symbolische Entschädigung in Form einer Stiftung vorgesehen. Damit gehen die verbleibenden Betroffenen leer aus, man erspart sich peinliche Auftritte in den Medien, in denen die Opfer ein reales Gesicht bekommen, und kann das Gutmenschen-Image pflegen.

Die Diskussion um den Bildungsplan in Baden-Württemberg, der angesichts der Situation an den Schulen und der Ergebnisse der jüngsten Studien dringend notwendig wäre, um ein Erstarken der Homophobie zu verhindern und gerade jungen Menschen einen normalen Umgang mit LSBTI*-Menschen zu vermitteln, zeigt, dass sogar die Grünen, die dort zusammen mit der SPD regieren, bereit sind, vehement behauptete Akzeptanz und Menschenrechte einem Shitstorm im Internet und Online-Petitionen zu opfern. Die Einführung wurde um mindestens zwei Jahre, nach den nächsten Landtagswahlen, verschoben. Damit kann dann Wahlkampf gemacht und je nach Koalitionslage nach den Wahlen auf die tatsächliche Umsetzung verzichtet werden.

Es gibt aber auch Lichtblicke in der deutschen Politik, allerdings nicht viele. Auf Landesebene wurden sogar schon die von den Fachleuten angemahnten Aktionspläne beschlossen. In NRW von SPD und Grünen, in Berlin und Brandenburg von der Linken und der SPD. Sogar die CDU ist auf Landesebene manchmal bereit, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus Karlsruhe etwa bei der Gleichstellung der Lebenspartnerschaft in vollem Umfang zu erfüllen – eigentlich eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit –, was bei der Bundes-CDU jedoch noch nicht angekommen ist. Und bei dem Thema Sicherheit und Prävention springt sogar die CDU über ihren Schatten. Die HIV-Schnelltestaktion des Vereins Mann-o-Meter in Berlin, der auch das Überfalltelefon MANEO betreibt, wurde von SPD / CDU nach jahrelanger, gestückelter Projektförderung endlich in die Regelförderung übernommen und damit abgesichert.

Wer will, findet Wege; wer nicht will, findet Gründe

In Frankreich hat die sozialdemokratische Regierung trotz heftiger Proteste und riesiger, zum Teil gewalttätiger Demonstrationen ihre Wahlversprechen zur Öffnung der Ehe eingelöst. Dies muss den handelnden Politikerinnen und Politikern, insbesondere Ministerpräsident Hollande und Justizministerin Taubira hoch angerechnet werden. Die Erfahrung aus Baden-Württemberg und die unverhohlene Schelte der Union am Bundesverfassungsgericht lassen dies für Deutschland nicht hoffen.

Alle Teilnahmen der Parteien an deutschen CSDs haben damit zumindest einen schalen Beigeschmack, denn sie erweisen sich spätestens dann als verlogen, wenn die Versprechen auf den CSD-Demos und Straßenfesten durch gegenteiliges Abstimmungsverhalten in den Parlamenten konterkariert werden. Der Fehler liegt dabei sowohl im System als auch bei den handelnden Politikerinnen und Politikern, die sich gerne hinter Fraktionszwang oder juristischen Spitzfindigkeiten verstecken.

Nur wir können das ändern

Wir, die Menschen in diesem Land sind gefragt: Wir müssen genau hinschauen, Politiker und Politikerinnen nach ihren Taten und Abstimmungen und nicht nach ihren Worten beurteilen, um dann genau diejenigen zu unterstützen, die sich tatsächlich für Menschenrechte einsetzen, damit sie auch innerhalb ihrer Parteien mehr Gewicht bekommen. Die Heuchelei und Klientelpolitik der FDP wurde bei der letzten Bundestagswahl abgestraft. Die Offenlegung der Heuchelei aller Parteien müssen wir selbst sicherstellen, auf den CSDs, im privaten Umfeld, am Arbeitsplatz und in der Schule. Teile der Bevölkerung haben vielleicht ein ähnliches Bauchgefühl wie Merkel gegenüber Lesben und Schwulen, aber die Umfragen zeigen, dass die Bevölkerung insgesamt nicht grundsätzlich homophob ist. Die Umfragen zeigen auch, dass die Politikverdrossenheit ein allgemeines Phänomen ist, weil die Heuchelei und Unglaubwürdigkeit der Politik nicht nur LSBTI* betrifft, sondern auch Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, Einkommensschwache und viele andere. Sie sind unsere Verbündeten. Sie können uns unterstützen, und wir müssen sie unterstützen: für soziale Gerechtigkeit und die Gleichheit von allen Menschen. Die Politik wird nur dann eine ehrliche sein, wenn wir auch ehrliche Politikerinnen und Politiker wählen.


 

Teil 1    Teil 2

Dieser Artikel ist Teil 2 des Leitthemas des gerade erschienenen CSD Magazins 2014. Das komplette Magzain ist online unter http://issuu.com/csdmagazin/docs/csd_magazin_2014_online abrufbar.

Ich bin  besorgt über die wieder wachsende Homo-und Transphobie, die Zunahme des Nationalismus in ganz Europa, den Rassismus und Sexismus. Diese Minderheitenfeindlichkeiten werden mittlerweile recht unverschämt in den Medien und der Öffentlichkeit ausgebreitet und dann noch als die „Meinung der schweigenden Mehrheit“, die gesunde Volksmeinung oder als Widerstand gegen (perverse) Meinungsterroristen, Genderwahnsinnge oder ausländische Kräfte verkauft. Die perfekte Opfer-Täter-Umkehr.

Aber selbst ein so flüchtiger Auftritt beim ESC samt der homophoben Kontroverse davor, ist manchmal doch mehr als nur ein Sturm im Boulevardblätterwald. Was Aktivist_innen, CSDs, Klagen, Petitionen, Politiker_innen, Menschenrechtler_innen über viele Jahr hinweg nicht geschafft haben, schafft Conchita durch ihren Sieg beim ESC: Die Konservativen in Österreich scheinen einzuknicken! Wow! Ich hoffe die ÖVP zieht die „Homo-Wende“ wirklich durch, dann wäre der politische Fortschritt wieder einmal nicht vom Establishment in Hinterzimmergesprächen mit schmutzigen Politdeals, sondern von einer singenden Außenseiterin – einer rebellischen, bärtigen Drag Queen mit Auftrag „We are unstoppable“ – erreicht worden.

Die Frage ist, ob das nur ein österreichisches Phänomen ist. Aus österreichischer Sicht ist die Sache völlig klar. Im Land der Titel und Ämter, ist die „Queen of Austria“ durch die Europäer in Kopenhagen zur Kaiserin gekrönt worden. Und kein_e Österreicher_in – nicht einmal der Bundeskanzler – sagt je etwas schlechtes über die Kaiserin. Eher werden Gesetze geändert, damit sie zur Kaiserin passen, als die kaiserliche Hoheit anzugreifen.

Die Salzburger Nachrichten nennen die politische Auswirkung beim Namen und titeln:  „Conchita-Effekt“: ÖVP lenkt bei Homo-Rechten ein. http://www.salzburg.com/nachrichten/oesterreich/politik/sn/artikel/conchita-effekt-oevp-lenkt-bei-homo-rechten-ein-106475/

Nun stellt sich die Frage für Deutschland: Was muss man hierzulande tun, um die CDU/CSU zum Einlenken zu bringen?

Auf jeden Fall heute, am 17.5. auf die Straße und demonstrieren. Wenn das nicht hilft, probieren wir einfach so lange  unterschiedlichen Methoden, bis eine davon klappt… 🙂

 

Seit der ARD-Wahlarena ist klar: Die Kanzlerin hat doch ein Problem mit Schwulen und Lesben. Sie hat ein schlechtes Gefühl dabei, wenn lesbische und schwule Paare Kinder adoptieren. Das beachtliche an dieser äußerst seltenen Gefühlsäußerung des mächtigsten Menschen Deutschlands ist nicht das zum Ausdruck gebrachte Bauchgefühl. Dieses Bauchgefühl teilt sie wahrscheinlich mit vielen – wenn auch nicht der Mehrheit der – Deutschen.

Das beachtliche an Merkels unwohler, gleichgeschlechtlicher Gefühlsäußerung, war der Nachsatz, den sie gleich nach der Wahl nochmals über die Presse bestätigen ließ: Mit der Kanzlerin (und ihre Partei) wird es kein Gesetz zur Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften geben. Mit diesem Satz wird die Gefühlswelt der Kanzlerin zum Staatsakt – nein, zur Staatskrise. Denn dieser recht harmlos und konsequent anmutende Satz ist der eigentliche Sprengstoff in der Unionspolitik. Er ist nichts anderes als ein Verfassungsbruch und der bedenkliche Höhepunkt des neuen Rechtsverständnis der Union, das nur mehr auf machtpolitischer Mehrheit und nicht mehr auf rechtsstaatlicher Demokratie basiert. Die Tragweite der Vorgänge wird umso deutlicher, wenn man sie von dem konkreten Thema „Homo-Ehe“ löst und nur rechtspolitisch betrachtet.

Kurz zusammengefasst: Das Bundesverfassungsgericht hat nach Anhörung von zig Verfahrensbeteiligten, von Anwälten, von Vertreter_Innen der Regierung, von Gutachter_Innen, nach intensiven Abwägung der rechtlichen Grundlagen, Interessen und Interpretationen eine grundgesetzliche Entscheidung getroffen. Die Konsequenz dieser Entscheidung war, dass einzelne gesetzliche Bestimmungen als grundgesetzwidrig aufgehoben wurden. In solchen Fällen sieht unsere Verfassung vor, dass nicht Karlsruhe selbst eine Alternative in Kraft setzt, sondern dass der Bundestag die betroffene Regelung durch eine grundgesetzkonforme Regelung ersetzt. Staatsrechtler sind sich auch einig darin, dass die Verpflichtung des Bundestages nicht bei dem betroffenen Gesetz endet, sondern dass auch andere Gesetze mit ähnlichen Regelungen „repariert“ werden müssen. So viel zur drögen Theorie.

In der Praxis gehen solche Vorgänge selten geräuschlos über die Bühne, denn die Entscheidungen aus Karlsruhe berühren oft emotionale Bereiche und werden ebenso heftig wie emotional in der Öffentlichkeit und den Medien diskutiert. Niemand beneidet das Bundesverfassungsgericht, das entscheiden musste, ob es mit der Menschenwürde vereinbar ist, einen vollbesetzten, gekaperten Terrorflieger abzuschießen. Auch die Gesetze zur Euro-Rettung, an denen der deutsche Staat zumindest theoretisch Pleite gehen könnte, landeten in Karlsruhe. Die Gleichstellung von eingetragener Lebenspartnerschaft mit der Ehe ist dabei vergleichsweise einfach und unemotional, da tatsächlich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung – gerade mal 5-10 Prozent – betroffen und die finanziellen Auswirkungen vernachlässigbar sind. Und Karlsruhe sagt: Natürlich sind Homo- und Heterosexuelle vor dem Gesetz gleich. Der Großteil der Deutschen hat das auch verstanden und sieht die Sache genauso. Laut TNS Emnid (im Oktober 2013) wollen 70% der Deutschen die Gleichstellung, sogar 65% der Unionsanhänger wollen sie. Nur die Union, die Union will sie nicht. Und die Union ist sogar bereit mit der Demokratie zu zündeln. Denn Karlsruhe hat schon längst entschieden: bei Steuern, der Hinterbliebenversorgung, beim Beamtenrecht und auch bei der (Sukzessiv)adoption. Rechtlich gesehen ist die Gleichstellung eigentlich gelaufen.

Das wäre sie zumindest, wenn unsere Regierung aus den verantwortungsbewussten Würdenträger_Innen bestünde, aus „ministrablen“ Persönlichkeiten, die unsere Gründungsväter und –mütter im Sinn hatten, als sie das Grundgesetz beschlossen. Der Fall einer renitenten Rasselbande, die drei Mal auf den Boden stampft, wenn Karlsruhe spricht und einfach nicht das tut, was ihre verfassungsgemäße Aufgabe ist, war damals undenkbar. Doch heute ist es Alltag. Die Union denkt nicht daran, das deutsche Rechtsgut anzupassen. Sie lässt sich – nach eigener Aussage – lieber immer wieder vor Gericht zerren, als der Realität ins Auge zu sehen. Schäuble stellt zwar beim Ehegattensplitting gleich, aber lässt Schwule und Lesben bei der steuerlichen Definition von „Angehörigen“ aus. Das hat rechtliche (und finanzielle) Konsequenzen für die Betroffenen, weil diese Regelungen solange gelten, bis sie von den Gerichten kassiert werden, wie jüngst vom Bundesfinanzhof in München zum Kindergeld. Dieses Vorgehen nervt nicht nur die Gerichte, die Öffentlichkeit, die Medien, die lesbischwulentransinter Aktivist_Innen und Verbände, es beschädigt im höchsten Maße das Ansehen der Bundesregierung, des Bundesverfassungsgerichts, des Bundestages und der deutschen Demokratie. Die Union degradiert Karslruhe zu einem Gesetzes-TÜV, der über jeden Erlass, jedes Gesetz einzeln zu entscheiden hat. Frei zitiert nach Adenauer: „Was kümmert mich das Geschwätz aus Karlsruhe.“ Sie degradiert den Bundestag zum Erfüllungsgehilfen der Regierung, wenn sie sagt: „Die Adoption bei gleichgeschlechtlichen Paaren wird am Veto der Union scheitern.“ Da ein solches Unionsveto im Grundgesetz allerdings nicht vorgesehen ist, hilft man sich mit Geschäftsordnungstricks: Man verhindert Sitzungen des Bundestages, ändert Tagesordnungen, verweist an Ausschüsse und zieht die Koalitionskarte und beweist damit, dass das freie Mandat der Abgeordneten eine Farce ist.

Die CDU zählt etwa 470.000 Mitglieder, knapp 1000 davon haben am letzten Bundesparteitag den demokratischen Aufstand gegen das Bundesverfassungsgericht beschlossen und der etwa 60-köpfige CDU Bundesvorstand und das 20-köpfige CDU Präsidium haben den Beschluss mehrfach bestätigt. Hier wird bestimmt, was in Deutschland beschlossen wird, was für mehr als 80 Millionen Einwohner gilt. Ganz demokratisch. Genauso demokratisch, wie dies in anderen Ländern der Fall ist: etwa in Ungarn oder in Russland. Und damit ist die CDU auf bestem Weg den Aufstieg zu schaffen: von einer demokratischen Partei zu einer lupenreinen demokratischen Partei.

Bild: CDU Wahlkampfplakat 1953. (wiki commons)

So ist das halt!

06/06/2013 — 1 Kommentar

Ausnahmsweise schreiben die Herausgeber dieses Editorial persönlich. Das
passiert zum ersten Mal in den dreizehn Jahren, seit es das CSD Magazin gibt. Denn zum ersten Mal verziert das Oberhaupt der deutschen Bundesregierung die Titelseite. Der Grund dafür ist eigentlich ein erfreulicher: Die Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Paaren ist endlich da! Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem Urteil zur Sukzessivadoption im Februar die Gleichstellung de facto vollendet. Es fehlen zwar noch Ehegattensplitting und Volladoption, aber die Urteile folgen in den nächsten Monaten und es gibt keinen Grund, warum das Gericht von seiner bisherigen Rechtsprechung abweichen sollte. Hurra!

Und Merkel? Persönlich ist Merkel uns beiden recht sympathisch. Sie ist eine Frau, Naturwissenschaftlerin, zurückhaltend, überlegt. Persönlich hat sie nichts gegen Schwule und Lesben, heißt es aus Unionskreisen. Das glauben wir tatsächlich. Persönlich habe sie auch kein wirkliches Problem mit der Homo-Ehe, also der richtigen Ehe, nicht der Lebenspartnerschaft, heißt es aus Unionskreisen. Auch das glauben wir tatsächlich. Aber das ist halt leider mit der Union nicht zu machen. Sie wissen schon, wegen der CSU. So ist das halt in einer Koalition. Ist nichts Persönliches.

Hand aufs Herz. Es geht uns doch gut in Deutschland. Schwule, Lesben, Bi-, Trans- und Intersexuelle werden heute nicht mehr diskriminiert. Schwule werden nicht mehr ins Gefängnis gesteckt. Und das Ehegattensplitting kommt sowieso vom Bundesverfassungsgericht. So ist das halt mit der Realpolitik. Ist nichts Persönliches.

Und die 50.000 Schwulen, deren Leben ruiniert wurde, die Schwulen, die zwischen 1945 und 1969 tatsächlich ins Gefängnis geworfen wurden, weil sie einvernehmlichen Sex hatten, sind doch längst wieder frei. Entschädigung geht eben nicht, weil das ja damals rechtens war. So ist das halt mit der Rechtsstaatlichkeit. Ist nichts Persönliches.

Und das mit dem Heiraten betrifft ja nicht so viele. Die Schwulen wollen doch gar nicht hei- raten. Und die paar Lesben? Dafür gleich Gesetze ändern? Womöglich sogar die Verfassung, weil die Ehe dort ja geschützt ist! Das geht nur mit Zwei-Drittel Mehrheit. So ist das halt mit dem Grundgesetz. Ist nichts Persönliches.

Na gut, die Transsexuellen müssen sich noch begutachten lassen und vor Gericht und um- operieren, um das Geschlecht auch amtlich zu ändern. Ist ja auch eine große Sache, so ein amtliches Geschlecht. So ist das halt im Personenstandsrecht. Ist nichts Persönliches.

Und AsylbewerberInnen müssen erst beweisen, dass sie homosexuell sind und verfolgt werden, damit sie nicht dorthin abgeschoben werden, wo sie dafür ins Gefängnis müssen. Da könnte ja jeder kommen. Und sie können daheim auch einfach etwas zurückhaltender sein. So ist das halt im Asylrecht. Ist nichts Persönliches.

Und Homoheiler dürfen auch weiterhin quacksalbern. Nur weil Studien sagen, dass das nichts bringt oder sogar gefährlich ist und ein paar Jugendliche sich vielleicht aus Verzweiflung umbringen? Diese Leute wollen ja geheilt werden. So ist das halt mit der Patientenautonomie. Ist nichts Persönliches.

Und Putzkräfte oder ÄrztInnen, die in katholischen Krankenhäusern arbeiten, suchen sich ihre Arbeitsplätze ja selbst aus. Sie können ja auch in ein anderes Krankenhaus, wo schwullesbisch sein oder wieder heiraten oder die Pille danach keine legalen Kündigungsgründe sind. So ist das halt mit der Religionsfreiheit. Ist nichts Persönliches.

Und wer könnte das alles ändern? Richtig! Der Gesetzgeber.
Und der Gesetzgeber, das ist die Mehrheit im Bundestag, also die Regierungsparteien. Dazu müsste die Regierung aber eine Gesetzesvorlage einbringen.
Will die Regierung denn Gesetze einbringen? Wer ist da verantwortlich? Richtig! Die Bundeskanzlerin.

Und die Regierungsfraktionen im Bundestag müssten die Gesetze beschließen. Sie könnten auch selbst Gesetzesvorlagen einbringen. Die FDP würde ja wollen, wenn man sie nur lassen täte, heißt es, aber die CDU!? Tja, die CDU.
Will die CDU denn überhaupt? Wer ist da verantwortlich? Richtig! Die Parteivorsitzende.

Wer will, findet Wege! Wer nicht will, findet Gründe! So ist das halt.
Dr. Angela Merkel ist die CDU Parteivorsitzende. Dr. Angela Merkel ist die Bundeskanzlerin. So ist das halt.

Sie ist verantwortlich. Sie könnte, wenn sie wollte. Sie ist schuld. So ist das halt in Deutschland. Ist nichts Persönliches.

Robert Kastl und
Christian Schneider-Lindbergh
Herausgeber CSD Magazin

(erschienen im CSD Magazin zu finden unter www.csd-magazin.de)

Lange hat es gedauert bis ich diesen Blog endlich eingerichtet hatte.

Und hier wird Klartext geredet über den CSD, die Politik, die Community und alles was mir wichtig erscheint.

Schluss mit Sonntagsreden!