Stonewall war ein Aufstand. Am 28. Juni 1969 fand wieder einmal eine Polizeirazzia in der schwulen Kellerkneipe Stonewall Inn in der Christopher Street in New York statt. Das war damals üblich, um das „unmoralische“ Treiben der Homosexuellen zu unterbinden. Besonders die schwulen Bars standen damals im Visier der Polizei, denn es gab kaum welche.
Homosexuelle Handlungen waren verboten und Homosexualität insgesamt moralisch verpönt. Anstandsvorschriften stellten das Tragen von Frauenkleidern durch Männer unter Strafe. Schwule und Lesben lebten meist im Verborgenen. Die führenden Bürgerrechtsorganisationen der Zeit, die schwule Mattachine Society und die lesbischen Daughters of Bilitis, rieten ihren Mitgliedern, möglichst unauffällig und angepasst zu sein. Man wollte die heterosexuelle Mehrheit überzeugen, dass Homosexuelle ganz brave, gesetzestreue Menschen sind, und so die Gleichstellung erlangen. Wenn diese Gruppen zu Demonstrationen aufriefen, sollten die Mitglieder adrett gekleidet auftauchen: Männer mit weißem Hemd und Krawatte, Frauen im Kleidchen, Schilder hochhalten, nur nicht provozieren. Der Großteil der „Community“ wollte nichts mit den erkennbar Andersartigen zu tun haben. Drag Queens, tuntige Männer, Butches, Transgender, Stricher, Schwarze, Latinos, illegale Einwanderer und verstoßene queere Jugendliche, die auf der Straße lebten, waren Ausgestoßene in der Gesellschaft.
Genau diese Menschen frequentierten Lokale wie das Stonewall Inn. Nur wenige bürgerliche Schwule ließen sich dort blicken. Die meisten schwulen Kneipen waren zwielichtige Etablissements. Eine offen schwule Bar bekam nämlich keine Ausschanklizenz, und Lokalbetreiber wurden von den Behörden schikaniert. So auch das Stonewall Inn: Es war eine Mafia-Bar ohne Schanklizenz, die regelmäßig von der Polizei heimgesucht wurde. Drags, Trans und Butches wurden verhaftet. Alle anderen wurden polizeilich erfasst und dann laufen gelassen. Es bestand das Risiko, öffentlich bloßgestellt zu werden, weil die Polizei oft informell der Presse Bescheid gab. Wenn jemand mit einer bürgerlichen Existenz in eine solche Razzia geriet, waren der Job weg und das Leben zerstört.
Am 28. Juni 1969 um 1:20 in der Früh kam es anders. Die Razzia ging schief. Die Gäste, die von der Polizei weggeschickt worden waren, sammelten sich vor dem Lokal. Die Dargs und Butches widersetzten sich der Verhaftung. Es wurde handgreiflich, die Situation geriet außer Kontrolle. Einige Polizisten verbarrikadierten sich im Lokal. Nachbarn und Passanten wurden angelockt, Polizeiautos umgeworfen, Mülltonnen angesteckt. Dann wurde das Stonewall Inn angezündet. Die Polizei floh und kam mit Verstärkung zurück. Das Lokal und das Gebiet rundherum wurde von den Kämpfen der etwa 2.000 Menschen mit der Polizei verwüstet.
In den darauffolgenden Tagen kehrte keine Ruhe ein. Viele Menschen, nicht nur die Underdogs, sondern auch sonst angepasste Schwule und Lesben beteiligten sich. Sie erhielten Unterstützung aus den afro-amerikanischen und studentischen Bewegungen und demonstrierten. Auf der Straße wurde geküsst, Händchen gehalten, getanzt und „rumgeschwuchtelt“. Manchmal kam es zu Ausschreitungen, meistens war es friedlich. Fünf Tage dauerten die Proteste. Dann formierte sich der Widerstand, es wurden Organisationen gegründet; eine neue schwullesbische Bürgerrechtsbewegung war geboren. Sie verlangte Akzeptanz statt Assimilation und sie verbreitete sich weltweit.
Seitdem werden jedes Jahr Demonstrationen, Märsche, Paraden, Straßenfeste und andere Veranstaltungen im Andenken an den Stonewall Aufstand veranstaltet. Alle CSDs, Prides, Mardi Gras oder wie immer sie heißen mögen – egal wie kommerziell oder politisch sie sind – beziehen sich auf Stonewall.